Was den Zeitgeist betrifft, so halte ich es mit Hans Magnus Enzensberger, wenn er feststellt: „Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, muss verblöden.“ „Wer sich ganz und gar dem Zeitgeist verschreibt, ist ein armer Tropf. Die Innovationssucht der ewigen Avantgarde hat etwas Kastrierendes.“ Die Hybris des modernen Menschen brachte ihn dazu, dass er alles, was er früher in der Dimension der Religiosität verankert sah, nun der Erklärbarkeit des Verstandes und der Wissenschaft unterwirft. Das Heilige an sich wird abgeschafft und Religion sowie Tradition auf soziologische Begebenheiten reduziert. Der Zeitgeist mit seinen Dogmen aus der Hochtechnologie ist im Begriff, den Menschen zu einem Statisten seines eigenen Lebens zu verändern. Künstliche Intelligenz und sich selbst organisierende Systeme sorgen dafür, dass sich jeder Mensch in seiner persönlichen Sphäre der Illusion wohlfühlt, da er völlige Selbstbestätigung erfährt und sich selbst als die Krone der Schöpfung wahrnimmt: Er ist wahrhaftig, und alles, was er tut, ist richtig! Was bleibt noch übrig, wenn diese Gedankenblase eines Tages platzt? Nach welchen Werten soll man sich orientieren? Haben Traditionen, Religionen und vermeintlich überholte Lebensmodelle überhaupt noch eine Chance? Ich denke ja! Es gehört freilich Mut dazu, sich einer Heilslehre hinzugeben. Gelingt es dem Menschen nicht, sich das Überirdische zu erschließen, wird seine Seele verhungern. Die Antwort auf die menschlichen Probleme der heutigen Zeit kann deshalb nur lauten: „Wende dich wieder dem Heiligen zu, denn ohne Rückbindung daran bist du aus höherer Warte ein Nichts und wirst trotz vermeintlicher Erfolge durch wissenschaftliche Fortschritte vergeblich um den wahren Urgrund deines Daseins ringen.“ Im philosophischen Exkurs dieses Vortrages wird aufgezeigt, wie wichtig alte Traditionen sind, um den Sinn des Lebens zu finden. Denn nur im heiligen Kultus kann sich Gott dem Menschen offenbaren.