FMG - Förderkreis für Mythologisches Gedankengut e.V.

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Veranstaltung:

Der Heilige Gral

Gnadengefäß auf grüner Seide in dem Werk "Parzival" von Wolfram von Eschenbach

Gabriele Quinque

Gemäß einer uralten mystischen Überlieferung darf sich niemand aus eigenem Ermessen auferlegen, das große Werk der endgültigen Vereinigung von Himmel und Erde bzw. Gott und Shekinah von sich aus vollbringen zu wollen. Denn es heißt, Gott selbst werde am Ende der Zeiten ein Individuum für den Dienst an dieser Union auserwählen. Des Weiteren wird gesagt, es sei wichtig, dass es ein Mensch sein müsse, der zu Beginn des Weges noch nicht einmal im Ansatz eine Ahnung von seiner Mission haben dürfe, damit er unbefangen durch alle erforderlichen Prüfungen gehen könne. In der Gralslegende verweben sich diese Ideen mit der erfundenen Figur Parzival. Er weiß nicht, dass er ein Berufener ist, und doch gelingt es ihm, nach schwierigen Prüfungen in seinem Amt anzukommen. Anfänglich will er nur Ritter werden, kaum ist er es, erlebt er sich bald als König. Für viele wäre damit das Lebensziel erreicht, aber in Parzivals Wesen liegt »der Gral« bereits verborgen, und es bedarf nur eines Fingerzeiges Gottes, um auch außen fündig zu werden. In Parzival lebt etwas Außergewöhnliches, das sich in seiner Gestalt und Ausstrahlung offenbart. Denn wieder und wieder – die ganze Dichtung hindurch – betont Wolfram von Eschenbach die Schönheit Parzivals. Der Dichter spricht von zarter, glatter Haut, leuchtenden Augen, einem brennend roten Mund und einem knabenhaften Kinn, bar jeglicher Barthaare. Die schwierigen Kämpfe an allen Toren der Grobstofflichkeit vermögen ihm offensichtlich weder Schönheit noch Jugend zu rauben. Schon darin erweist sich die Auserwähltheit Parzivals. Es könnte damit zusammenhängen, dass sein inkarnierter Seelenanteil weit genug herangereift ist, um in den Stunden des Schlafes bis in die göttlichen Ebenen aufsteigen zu können und bei der Rückkehr jedes Mal so viel Himmel herabzubringen, wie nötig ist, um vollends zu regenerieren und dadurch jung und schön zu bleiben. Darum heißt es auch in den Legenden des Grals:

Keiner erblickt den Gral,

Wenn er ihn nicht zuvor

Im Himmel gesehen hat!

Demzufolge muss die Seele Parzivals durch eine initiatorische Tradition himmelwärts rückgebunden sein; indessen weiß seine profane Ich-Natur davon nichts mehr, ist diese doch ganz und gar Erdenmensch, mit allen damit einhergehenden Fehlern und Versäumnissen. Genau darin liegt freilich die Botschaft der esoterischen Gralslehre. Nur ein vollständig im Stoff Verwickelter, dessen irdische Existenz über mehrere Lebensjahre von Zweifel und Verzweiflung unterwandert wird, der wie Hiob immer wieder Leid erfährt oder scheitert und dennoch seinen geistigen Inhalten treu bleibt, eignet sich für die Berufung zur Kollektivheiligung durch den Gral. Nur ein solcher Typus entwickelt jene notwendige Stärke, die ein Werk dieser Größe erfordert. Jene Antriebe der eingeweihten Seele, denen der Durchbruch in das Physische gelungen ist, offenbaren sich in der eigentümlichen Getriebenheit, der sich Parzival von Anfang an ausgeliefert sieht. Dies zeigt sich auch in der Ungewöhnlichkeit, bereits zur Zeit der Ego-Entwicklung – gleichsam im Tierkreiszeichen Löwe – auf die Gralsburg zu gelangen, die eigentlich im transzendenten vierten Quadranten des Tierkreises zu finden ist. Obwohl Parzival mit der okkulten Heiligkeit des Gralsrituals in seiner eigenen Zeitqualität noch gar nichts anfangen kann, wird es dennoch eben dieses Ritual sein, das ihn wie ein unsichtbarer Hirtenstab auf den Weg in die höchstmögliche Vergeistigung führt.

Pracht und Segen des Rituals

Eschenbach vermeidet stets solche Worte wie Tempel, Orden, Heiligtum, Priester oder Priesterin, er bleibt konstant bei Benennungen wie Burg, Schloss, Palast, König und Königin. Damit will er wohl vermeiden, von Seiten des Klerus in die Nähe von Geheimbünden seiner Zeit (wie z.B. der Katharer und der Tempelritter) gerückt zu werden. Aus demselben Grund wird das Gralsritual beschrieben, als sei es eine höfische Zeremonie. Also heißt es zu Beginn, Parzival werde in den »Palast« geführt. Ein Palast gilt als Hauptgebäude einer Burganlage oder eines Schlossgeländes. Wir haben es demnach gleichermaßen mit dem Kernstück der Gralsburg und dem geheimen Mittelpunkt der Dichtung zu tun. Parzival weiß es noch nicht, aber ähnlich wie Eisenspäne sich einer unsichtbaren Ordnung folgend um den Magneten gruppieren, so beginnt sich sein Leben von jenem denkwürdigen Augenblick an, als er zum ersten Mal den Palast betritt, nach einer geistig-erhabenen Kraft auszurichten. Staunend erblickt er eine nie zuvor geschaute Pracht und Herrlichkeit. Hundert Kronleuchter und Wandhalter, jeweils bestückt mit vielen brennenden Kerzen, erleuchten und verzaubern einen riesigen kostbar ausgestatteten Saal. Parzival fügt sich gut in das Gesamtbild ein, trägt er doch den geliehenen Purpurmantel der Gralskönigin, der ein Symbol keuscher Gegensatzvereinigung des weiblichen und männlichen Prinzips symbolisiert.

Gestandene Ritter der Gralsburg

Vierhundert Ritter sieht er, je vier auf hundert Polstern ruhend. Auch drei viereckige Marmorkamine, in denen Aloeholz in hohen Flammen steht, beeindrucken den Gast auf Montsalvat. Hier muss man bedenken, wie sehr Kaminfeuer zum Luxus einer Burg gehört, und es gibt gleich drei Feuerstellen, in denen auch noch das kostbarste Holz der Welt verbrannt wird. Dem afrikanischen Liliengewächs Aloe wird Heilkraft zugesprochen. Wen wundert es, dass der kranke Burgherr Amfortas in der Nähe des mittleren Kamins platziert ist. Doch die irdenen Flammen reichen nicht aus, das erloschene Feuer der Gesundheit in ihm neu zu entfachen, darum ist er zudem noch in warme Kleidung mit Zobelpelzen gehüllt. Statt der Krone, die ein König tragen müsste, steckt das Haupt des Gralskönigs unter einer Pelzmütze. Sein Bewusstsein ist erkaltet, ohne Begeisterung und somit verschlossen für das geistige Amt. Nur eine goldgewirkte arabische Borte mit einem Rubin auf Stirnhöhe erinnert an die verlorene Sternenweisheit des Morgenlandes und das geöffnete dritte Auge eines Weisen. Trotz elender Schmerzen begrüßt der Burgherr den jungen Gast voller Freundlichkeit und bittet ihn, sich auf einem Platz in seiner Nähe niederzulassen. Mitten in all der Herrlichkeit des Saales wirft das Leid des Fischerkönigs dunkle Schatten, und das sogenannte Fest erfährt einen seltsamen Beginn. Es öffnet sich eine Tür, und herein kommt ein Knappe mit einer Lanze, aus deren Spitze Blut quillt und den Schaft herunterläuft. Der Knappe umschreitet damit einmal den ganzen Saal, um dann wieder durch die gleiche Tür hinauszugehen, und es heißt, die anwesenden Ritter begleiten die Lanzenprozession mit heftigem Weinen und Wehklagen, gerade so, als habe sie die blutende Lanze an ein schreckliches Unheil erinnert. Man bedenke, es sind vierhundert Ritter, gleichsam vier Elemente, die auf der Erlösung der Materie warten, jedoch zunächst an ihre Situation gebunden bzw. im hebräischen Buchstaben Tav (400) gekreuzigt sind. Parzival ist der Einzige in diesem Saal, dem diese wesentlichen Zusammenhänge verborgen bleiben. Die okkulten Schlüssel sind ihm fremd und er hat keine Ahnung davon, dass die blutende Lanze jene des Heiden verkörpert, welche die Wunde des Amfortas schlug. Er wird erst später erfahren, wie sehr diese Lanze jener des Longinus anlässlich der Kreuzigung Jesu gleicht. Im Augenblick ist Parzival nur ein Gast, der zum ersten Mal einer heiligen Zeremonie beiwohnt, ohne eingeweiht zu sein, weswegen er zwar nur die äußeren Handlungen in ihrer Schönheit erfasst, aber dennoch tief berührt wird in seiner Seele.

 

Anmutige Edelfrauen der Gralsburg

Kaum ist die Lanze verschwunden, verstummen auch die Klagerufe der Ritter. Der Saal wird nun von insgesamt vierundzwanzig in verschiedenfarbige Seide gekleidet und um die schlanken Hüften kostbar gegürtete Edel- und Jungfrauen erfüllt. Zuerst erscheinen zwei mit goldenen Leuchtern, danach zwei mit Elfenbeinstützen, die vor dem Burgherrn aufgestellt werden. Darauf folgen noch acht Jungfrauen in grasgrünen Gewändern und bringen vier große Kerzen und eine halbtransparente Tischplatte aus geschliffenem Granathyazinth herein. Zusammen mit den Elfenbeinstützen wird daraus ein herrlicher Tisch vor dem Lager des Amfortas aufgebaut. Natürlich erblickt Parzival in den ersten zwölf Frauen nicht die Mägde der Sophia oder wenigstens das Symbol des Tierkreises, da ihm als christlich Erzogener heidnisches und gnostisches Gedankengut fremd geblieben ist. Noch zweimal sechs Jungfrauen erscheinen. Zwei von ihnen tragen zwei haarscharfe Silbermesser herein, die auf den Tisch vor Amfortas gelegt werden. Sechs tragen durchsichtige Glasgefäße, in denen duftender Balsam brennt.

 

Die Gralsträgerin als sakraler Höhepunkt

Eingehüllt in weiße Duftwolken schreitet nun die Königin herein, ihr Name lautet Repanse de Schoye, das bedeutet Freudenbringerin. Sie ist in Purpurseide gekleidet und trägt den Gral auf grüner Seide durch den Palast, während je zwölf Frauen zur Rechten und zur Linken sich vor ihr verneigen, um sie dann bei ihrer Wanderung zu begleiten. Parzival blickt verträumt auf die Gralsträgerin und denkt an den Purpurmantel, den er auf dem Leib trägt, doch bleibt ihm dessen geheime Bedeutung fremd. Er sieht weder den Gral noch erfasst er, wie sehr dieser Gegenstand den Inbegriff paradiesischer Vollkommenheit ausmacht. Anfang und Ende sind darin beschlossen. Der Gral ist ebenso der Stein der Weisen, wie der erhabene Mutterschoß geistiger Wiedergeburt. In den Mythen des Grals erscheint das geheiligte Kleinod häufig als Kelch, bei Wolfram von Eschenbach ist es jedoch ein Stein, den er Lapis exillis nennt, was seiner Bedeutung nach gelesen werden kann, wie ein Stein im Exil. Diese Wahl des Dichters leitet sich her von Joseph von Arimathia, der das Blut des Gekreuzigten in einer Steinmulde auffing und später in einem Röhrchen mitnahm nach Britannien, wo später das Blut in einem Kelch ritualisiert wurde, was heutzutage in der Eucharistie der Katholiken wiedererkannt wird.

 

Der Gral auf grüner Seide

Die grüne Seide unter dem Gral hat eine große Bedeutung. Grün nimmt eine vorherrschende Stellung in arabischen Ländern ein. Auch heute noch bildet Grün die Hauptfarbe des Islam. Die Gläubigen sehen darin ein Zeichen der Lebendigkeit, der Freude und der Fruchtbarkeit. In heißen Ländern kostet es viel Mühe, das Land durch künstliche Bewässerung ergrünen zu lassen. Aus diesem Grund ist Grün gleichbedeutend mit Pracht und Schönheit, und man verziert die Bemäntelung der Moscheen und Minarette häufig mit dieser Farbe. Mit der Betonung der Farbe Grün im Gralsritual knüpft Eschenbach an die persische Sternenweisheit an und verweist auf jene Schrift, die sein Gewährsmann Kyot de Provenҫale im Staube von Toledo gefunden hatte. Durch die grüne Seide als Basis des Grals kehrt das verloren gegangene Wissen der Heiden in den Kult zurück. Grün ist im Altertum auch oftmals die Farbe des Mondes, demnach ruht der Gral in der Mondnatur der Gralsträgerin. Repanse de Schoye ist rein wie eine römische Vestalin, darum liegt der Gral zu Recht in ihrer Hand. In ihrem Schoß wandelt sich das erdwärts gerichtete, dämonische Weibliche in das himmelwärts strebende Engelhafte. In diesem Sinn gleicht sie der geflügelten gnostischen Sophia oder der ägyptischen Isis Urania – als Gralsträgerin ist sie bereit, sich wieder empor zu schwingen. Jedoch bedarf die weibliche Heiligkeit einer gesunden Männlichkeit als Gegenpol, und diese ist durch die Versehrung des Amfortas nicht mehr gegeben. Ein wahrer Priester des Grals muss in allen vier Welten potent sein und eben diese Zeugungskraft einem unaussprechlichen Mysterium zur Verfügung stellen. Amfortas hat leider diese überirdische Kraft für seine persönliche Brunst eingesetzt und damit für alle Zeit verloren. Was man nicht besitzt, darauf kann man auch nicht verzichten, und das Mysterium der keuschen Vereinigung von Gral und Lanze bleibt aus. Der Gral als lunares Prinzip hingegen konnte seine Größe bewahren, der solare Heilsweg jedoch ist durch irdisches Begehren des Gralskönigs krank geworden. Jeden Mysterienkult ereilt das Unglück der Profanisierung, manchmal erst Jahrhunderte nach seiner Gründung, häufig jedoch nach nur wenigen Jahrzehnten. Der Umstand des Niederganges ist immer derselbe: Die Organisation wird von lunaren Strömungen unterwandert und läuft Gefahr, durch Übergriffe aus den eigenen Reihen allmählich ihre wichtigsten Grundsätze zu verlieren. Wen wundert es also, dass die Amtsträger des Palastes auf einen neuen Impuls von außen angewiesen sind und nun inständig hoffen, Parzival wäre nun endlich der, den man auf Montsalvat herbeisehnt. Parzival ist zu diesem Zeitpunkt zwar bewandert in den Dingen des ritterlichen Lebens, aber ein echter, selbstbewusster Zugang zu den okkulten Mysterien bleibt ihm noch verschlossen, wie ein Buch mit sieben Siegeln.

 

Die wundersamen Gaben des Grals

Während der Anwesenheit des Grals treten Kämmerer mit großen goldenen Becken und weißen Handtüchern herein. Allen werden die Hände gewaschen, heißt es doch, dass die Speise vom Gral nur von reinen Händen empfangen werden kann. Alsbald werden hundert Tische hereingetragen, vor den Ruhelagern der Ritter aufgestellt und mit goldenem Tafelgeschirr bedeckt. Und dann zeigt sich der Gral als Hort des Glücks, als Füllhorn aller Köstlichkeiten, denn jeder der Anwesenden erhält seine Nahrung, die er aus tiefstem Herzen begehrt. Es wird von warmen und kalten Speisen berichtet. Wildbrett, Pfeffer, Saucen – jeder erhält seine Ergänzung aus dem Heil des Gralsmysteriums. Was hier wie ein Tischlein-deck-dich-Märchen anklingt, stellt dennoch eine rituelle Tempelspeisung dar. Es findet ein sogenanntes Brudermahl statt, ein Agape-Mahl, das jeden mit dem versorgt, was ihm geistig fehlt. So wie am Karfreitag die Taube herabkommt und den Kelch mit der Hostie speist, wird auch der Mensch von dem Geist der Gralsburg erfüllt. Der an sich magische Aspekt einer kultischen Zusammenkunft kleidet sich in ungefährliche Metaphern ein und erinnert die Seele an die Magie der urchristlichen Agape – an das orgiastische Liebesmahl, wie es bereits in der Antike in den Heiligen Hainen durch die Hand der Götter genossen wurde.

Das Ende des Rituales ohne die erlösende Frage

Viele Fragen drängen sich Parzival im Inneren auf, allzu gerne hätte er gewusst, was es mit all der Pracht auf sich habe, was sein Hiersein für ihn selbst wohl bedeuten möchte. Ja – er würde am liebsten fragen, an welchem Leiden Amfortas krankt und sicher auch, warum der Gral ihm nicht helfen könne. Aber er unterlässt diese Fragen, denn mit Schrecken denkt er daran, mit seinen Fragen Missfallen erregen zu können, war er doch von Gurnemanz diesbezüglich gerügt worden. Sogar als ihm die Frage buchstäblich in den Mund gelegt wird, bleibt seine Zunge versiegelt. Der Burgherr überreicht ihm ein besonders edles Schwert mit einem Griff aus Rubin mit den Worten: »Herr, ich habe es oft im Kampf getragen, bis Gott mich mit einer schweren Wunde heimsuchte!« Hier sollte der Ritter Parzival nun endlich nach der Wunde fragen und würde alles erfahren, woher die Wunde rührt, wozu die silbernen Messer da sind, wann die Wunde schmerzt und vieles mehr. Jedoch könnte er die Zusammenhänge nicht wirklich erfassen, er muss sich selbst zuerst noch zu hinterfragen lernen, sich in der Begegnung verwickeln, seinen eigenen Schatten finden, das Bekenntnis ablegen und sich durch Erkenntnis läutern, bevor er wie ein Mystagoge fragen dürfte: »Was fehlt Euch, Oheim?« Das bloße Tragen des Purpurmantels ist zu wenig, er müsste ihn sich durch Arbeit und Verehrung erst noch selbst verdient haben.

Am Ende des Mahles bringen die Knappen das Essgeschirr hinaus. Jungfrauen und Edelfrauen verrichten ihre zeremoniellen Verbeugungen und Wanderungen in umgekehrter Reihenfolge. Auf diese Weise wird alles zurückgenommen. Dann schreiten Repanse de Schoye und ihre vierundzwanzig Frauen aus dem Palast, und noch ehe sich die Tür hinter ihnen vollends schließt, fällt Parzivals Blick auf einen wunderschönen Greis mit nebelweißem Haar, liegend auf einem Ruhelager im anschließenden Gemach. Der Altehrwürdige strahlt eine Erhabenheit aus, wie sie Parzival noch nie zuvor an einem menschlichen Wesen erblickte. Auch diesmal haucht ihn das Geheimnis an, doch er schließt diesen großen Wissensdrang in seinem Herzen ein.

Der Burgherr rät nun dem Gast, zu Bett zu gehen. Sie wünschen sich noch freundlich eine gute Nacht, und dann führt man Parzival in das Schlafgemach. Pagen eilen ihm zu Diensten, Jungfrauen bieten ihm Schlummertrunk und Obst an, bewundern heimlich seine Schönheit und plaudern fröhlich mit ihm, bis er schließlich allein zurückbleibt und einschläft. Auch wenn Parzival weder verstand noch nachfragte, so hat seine Seele am Ende doch einmal den Gral gesehen, hat in seiner Nähe verweilt und wurde mit Purpursegen übergossen. Allein darin liegt schon im Voraus »des größten Heiles Wunder«. In einer geheimen Weihe zu versagen ist weniger schlimm, als niemals dort gewesen zu sein!

Artikel erschienen in Pleroma Nr. 40.