In einem Zeitalter der Beschleunigung und Effizienz leiden wir an chronischem Zeitmangel. Wer erwischt sich nicht bei dem Satz:  „Ich habe keine Zeit“. Oder frei nach dem Motto:  „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur nicht dazu“.

Die überbordende Dominanz der linearen Zeit (Chronoszeit) in unserem Leben, insbesondere durch die Digitalisierung sowie die zunehmende Nutzung digitaler Medien, hat zu einer veritablen Zeitkrise geführt. Neben der hyperaktiven Zerstreuung hat auch unsere psychologische Eigenzeit bis zum Verschwinden Beschleunigung erfahren. Im Glauben an eine übermächtige, absolute Zeitvorstellung außerhalb unserer selbst, die uns diktiert und bestimmt, bleibt uns die Zeit ein ewiges, ohnmächtig machendes Rätsel.

Die griechische Mythologie hält die Schlüssel zum Verständnis der Zeitdimensionen in ihrer göttlichen Dreiteilung Chronos – Kairos – Aion bereit. Die Ideenwelt der alten Griechen versetzt den Menschen in die Lage, weit über die bloße Zeitwahrnehmung hinaus zu transzendieren. Durch das Verständnis in die Tiefen der Zeiterfahrung wird dem Menschen höhere und eigene Ordnung zuteil, wenn auch nur für begrenzte Zeit. So er sich beflissentlich aufmerksam Raum verschafft und verweilend sich einlässt, kehrt er reich beschenkt in ein handelndes Leben zurück. Mysterien- und initiatische Kulte waren sich seit jeher bewusst, dass solche Erfahrungen den Menschen verwandeln und einordnen können.

Folgt er diesem Weg, altert wohl der Körper, doch verjüngt sich so die Seele.