Die Alchemie ist eine der Säulen der Hermetischen Philosophie und wird häufig als akribische Laborarbeit für die Herstellung von Gold oder die Manifestation persönlicher Wünsche missverstanden. Viel mehr als unergründlichen Laborexperimenten entspricht sie jedoch einer Erlösungsmanufaktur, die sich eingebunden weiß in philosophisches und mythologisches Gedankengut. Alchemie gleicht einem keltischen Kessel der Wiedergeburt, denn sie will die Seele in die Bereiche des Geistes erheben. Somit verfolgt die Königliche Kunst dieselbe Absicht wie die Tempelarbeit in den Geheimorden und Logen, in deren Initiationen Schwingungen erzeugt werden, welche die sogenannte Zweite Geburt des Menschen ermöglichen. Die Alchemie bietet dafür drei zwar langwierige jedoch effektive Gradsysteme an: Nigredo, Albedo, Rubedo. Am Anfang stehen die Selbsterkenntnis und die Schattenintegration in der Nigredo, dem schwarzen Werk. Dies führt weiter in die Albedo, in das weiße Werk, worin eine Katharsis des Bewusstseins vollzogen wird. Gelingt diese Reinigung, bringt der Prozess die Rubedo hervor, das rote Werk wahrer Gotterkenntnis. In diesen drei Hauptstufen folgen nacheinander die Wiedergeburt des Wissens, die Wiedergeburt des Wollens und die Wiedergeburt des Wagens. Danach kann der Adept dem inneren Frieden eines Geweihten durch die unbeschreibliche Wiedergeburt des Schweigens teilhaftig werden. Die 22 Miniaturen des Splendor Solis bilden solche Erkenntnisprozesse erkennbar ab. Die Symbolik des Sonnenglanzes knüpft nämlich deutliche Verbindungen von den Mysterien der Antike zu den Geheimbünden der Neuzeit, welche den Wandel der Zeit in den Hochgraden der Freimaurerei und den wenigen initiatorisch wirkenden Rosenkreuzer-Orden überlebt haben.